Als Jakob zu seinem Volk sprach, sagte er zu ihm:

„Und mit dieser Absicht halten wir das Gesetz des Mose, denn es weist unsere Seele auf ihn hin; und aus diesem Grund ist es uns zur Rechtschaffenheit geheiligt, so wie es Abraham in der Wildnis angerechnet worden ist, dass er den Geboten Gottes gehorcht und seinen Sohn Isaak dargebracht hat; was ein Sinnbild für Gott und seinen Einziggezeugten Sohn ist.“ (Jakob 4:5)

Dies ist die einzige Stelle im Buch Mormon, an der Isaaks Erlebnis erwähnt wird (an anderen Stellen wird bspw. vom „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ bzw. dass Abraham, Isaak und Jakob im Himmel sitzen (vgl. dazu Alma 5:24; Alma 7:25; Helaman 3:30) gesprochen; oder 1 Nephi 17:40, wo das Bündnis mit den drei Patriarchen genannt wird).

Das „Beinah-Opfer“ Isaaks ist ein Sinnbild für das Sühnopfer Christi

Jakobs Aussage, dass das „Beinah-Opfer“ Isaaks ein Sinnbild für das Sühnopfer Christi war, ist eine Schlüsselstelle. Sie hilft uns, die tieferliegende spirituelle Bedeutung dieser Geschichte zu begreifen. Mit diesem Verständnis können wir mit einer neuen Perspektive auf das Alte Testament blicken. (Was dieses „Beinah-Opfer“ Isaaks zu bedeuten hat, erfahren wir im Alten Testament nicht, aber etwas Ähnliches finden wir im Neuen Testament. In Hebräer 11:17 wird Isaak als „Einziggezeugter“ bezeichnet und der Verweis auf Christus nur angedeutet. In Jakob 4:5 hingegen bezieht sich der Titel „Einziggezeugter“ direkt auf Jesus Christus.)

Betrachten wir die Ähnlichkeiten zwischen der Erzählung von Abraham und Isaak und dem Sühnopfer Christi, sehen wir, wie viel Einblick wir durch Jakob tatsächlich bekommen.

Wenn das Opfer Abrahams, der Isaak opfern sollte, symbolisch ist für das Opfer Gottes, der Christus hingab, dann können wir davon ausgehen, dass es weitere Ähnlichkeiten zwischen Gott und Abraham gibt. Diese Ähnlichkeiten kannte auch schon der altertümliche christliche Schriftsteller Caesarius von Arles (ca. 468/70 – 542 n. Chr.). In seiner Rede spricht er darüber, dass es Parallelen zwischen Isaak und Christus und Abraham und Gott Vater gibt.

In Genesis 17:5 sehen wir auch solch eine Ähnlichkeit: „Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham, Vater der Menge, wird dein Name sein; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt.“ Sowohl durch Isaak als auch durch Ismael wurde Abraham tatsächlich der „Vater vieler Nationen“, so wie Gott der Vater aller Nationen ist. Zusätzlich bedeutet der Name Abraham wörtlich „erhöhter Vater“, was auch eine treffende Beschreibung ist für Gott, der der Vater ist.

Isaak als einziger Sohn Abrahams

Eine weitere Parallele finden wir darin, dass Gott Isaak als Abrahams „einzigen Sohn“ (Genesis 22:2) bezeichnete. Christus ist auch Gott Vaters „einziggezeugter Sohn” (Johannes 3:16). Eine Ähnlichkeit können wir auch darin finden, dass Abraham seinen Knechten sagt, dass er mit Isaak weggehen und wiederkommen würde, obwohl er geplant hatte, seinen Sohn zu opfern.

Caesarius von Arles interpretiert mögliche Gedanken Abrahams: „Ich werde meinen Sohn als Opfer darbringen, aber werde mit ihm zu euch zurückkehren. Mein Glaube ist so groß, dass ich daran glaube, dass der, der ihn mir als Sohn einer nicht gebärfähigen Mutter gab, ihn auch von den Toten auferwecken kann.“ So würde er mit Isaak zurückkommen und wäre seinen Sklaven gegenüber kein Lügner. Gott Vater und Abraham wussten also beide, dass ihre Söhne von den Toten auferstehen können würden (Hebräer 11:19).

Weitere Parallelen

Sowohl die Mutter Isaaks als auch die Mutter Jesu, hätten beiden eigentlich keine Kinder bekommen sollen. Sara, Isaaks Mutter, war bereits zu alt, um Kinder zu haben (Genesis 18:11) und Maria, die Mutter Jesu, war eine Jungfrau (Lukas 1:34).

Sowohl beim Opfer Isaaks als auch Christi spielt Holz eine Rolle. Beide müssen es tragen: Isaak trägt das Holz für das Brandopfer (Genesis 22:6) und Christus trägt den Holzbalken, an dem er schließlich hingerichtet wird (Johannes 19:17). Caesarius von Arles sagt dazu: „Als Isaak das Holz für seine Opferung selbst tragen muss, ist das, wie als der Herr, Christus, sein eigenes Kreuz trägt.“

Sowohl Isaak als auch Christus werden für ihr Opfer festgebunden. Abraham bindet Isaak fest und legt ihn dann auf das für das Brandopfer vorbereitete Holz (Genesis 22:9), und Christus wird gebunden, bevor er an Pilatus ausgeliefert und an das Holzkreuz gebunden wird (Matthäus 27:2).

Sowohl Isaak als auch Jesus waren drei Tage lang, nachdem aus ihnen ein Opfer gemacht wurde, „verschwunden“. Abraham und Isaak kehrten wohl am dritten Tag, nachdem Isaak fast geopfert worden wäre, nach Hause zurück (Genesis 22:4); Christus erstand am dritten Tag nach dem Sühnopfer auf (Lukas 24:21).

Das leere Grab Christi

Eine weitere Parallele ist möglicherweise, dass zwei Knechte anwesend waren, als Abraham Isaak mitnahm, um ihn zu opfern (Genesis 22:3), und die Kreuzigung Christ zwischen zwei Dieben (Markus 15:27).

Es ist gut möglich, dass Christi und Isaaks Opfer im gleichen Gebiet stattfanden (in bzw. in der Nähe von Jerusalem); doch wissen wir es nicht. Der Ort, an dem Isaak als Opfer dargebracht werden sollte, nennt sich Moria (Genesis 22:2); auch der Tempel in Jerusalem wurde auf einem Berg namens Moria (2. Chronik 3:1) errichtet.

Statt Isaak wird schließlich ein Schafbock als Opfer dargebracht

Interessant ist auch, dass für Abrahams Opfer dieser eine Schafbock dargebracht wurde, der sich mit seinen Hörnern in einem Busch verfangen hatte (Genesis 22:13); dies erinnert daran, dass Christus vor seiner Kreuzigung eine Dornenkrone aufgesetzt wurde (Matthäus 27:29).

Sowohl Isaaks als auch Christi Opfer war freiwillig. Wenn Isaak ausreichend stark war, das Holz für ein Brandopfer auf dem Rücken zu tragen, war er wahrscheinlich auch stark genug, seinen alternden Vater zu überwältigen, um seiner Opferung zu entgehen. Auch Christus ließ sich kreuzigen und wehrte sich nicht (vgl. Matthäus 26:53-54).

Und schließlich erstanden sowohl Isaak als auch Christus auf. In Hebräer 11:17,19 heißt es: „Aufgrund des Glaubens hat Abraham den Isaak hingegeben … Er war überzeugt, dass Gott sogar die Macht hat, von den Toten zu erwecken; darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild.“

Auch wenn diese Verse nicht eindeutig sind, ist eine mögliche Interpretation, dass Abraham tatsächlich Isaak opferte und Gott ihn wieder zum Leben erweckte – eine Schilderung, die in verschiedenen jüdischen Texten vorkommt. Dass Isaak also starb und Gott ihn wieder auferweckte, kann auf die Auferstehung Christi hinweisen oder ist ein Sinnbild dafür, wie es in Hebräer heißt.

Welche Rolle spielen diese Ähnlichkeiten?

Im Neuen Testament erfahren wir nicht viel darüber, wie Gott darauf reagierte, dass er seinen Einziggezeugten Sohn hingeben musste. Das Erlebnis, das Abraham hatte, lässt uns aber ahnen, wie es wohl für Gott gewesen sein musste, SEINEN einzigen Sohn hinzugeben. Interessant beim Opfer Abrahams ist vor allem, wie wenig er während der ganzen Erzählung spricht. Als Gott Abraham sagt, er müsse seinen Sohn opfern, beschwert sich Abraham darüber mit keinem Wort. Er trifft schlicht die Vorbereitungen, die Gott ihn treffen heißt (Genesis 22:1-3).

Der Leser kann den Schmerz Abrahams fühlen, als er nach Moria reist, einen Altar baut und das Holz darauf stapelt. Die Bibel hält sich mit diesen Details auf. Sie betont Abrahams geistigen Schmerz, als er den eigenen Sohn fesselt, auf das Holz legt und das Messer hebt, um ihn zu töten (Genesis 22:9,10). Wie groß der Schmerz Gottes gewesen sein muss, als sein Sohn gebunden wird und auf das Holzkreuz gelegt, während die römischen Soldaten ihre Hämmer in die Hand nehmen, um ihn ans Kreuz zu nageln.

Gott musste zulassen, dass Christus seine Aufgabe völlig auf sich allein gestellt erfüllte

Elder Jeffrey R. Holland sagte, dass „der Vater seinem Sohn wahrscheinlich nie näher war, als in diesen schmerzvollen letzten Minuten des Leidens. Nichtsdestotrotz zog der Vater, damit das Opfer freiwillig und alleinig durchgeführt werde, einen Moment den Einfluss des Heiligen Geistes zurück; die Unterstützung durch seine Gegenwart.“

Gott sah, wie Melvin J. Ballard es sagt, seinen Sohn verdammt. „Er sah, wie dieser das Kreuz durch die Straßen Jerusalems schleppen musste und unter der Last zusammenbrach. Gott sah den Sohn schließlich auf dem Kalvarienberg; sah den Körper am Kreuz; auch musste er zusehen, wie die Nägel in seine Hände und Füße getrieben wurden und die Schläge, durch die … seinen Sohn bluten ließen.“ Gott muss beim Zusehen gelitten haben, „bis ein Moment gekommen war, in dem selbst der Erlöser verzweifelt aufschrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Christus war der EINZIGE, der dieses Werk vollbringen konnte

Aber für Christus sollte es kein Lamm geben, das sich im Busch verhakte, niemanden, der in letzter Minute seinen Platz einnahm. Das mächtigste Wesen im ganzen Universum musste zulassen, dass sein Sohn so lange gequält wurde bis er starb, um alle seine anderen Kinder zu erretten.

Elder Ballard erklärte: „Ich kann mir vorstellen, wie in diesen Stunden der Vater hinter dem Schleier diesen Todeskampf sah … wie sein Herz fast an der Liebe, die er für seinen Sohn hatte, zerbrach. Oh wie dankbar bin ich, dass er in diesem Augenblick uns alle nicht im Stich gelassen hat. Er hätte seinen Sohn retten können.“

Wir sollten alle jubeln, „dass er nicht eingriff, und dass seine Liebe zu uns es ihm möglich machte, dass er das Leid seines [Einziggezeugten] sah und ihn für uns hingab – ihn, unseren Erretter und Erlöser. Ohne ihn, ohne sein Opfer, wären wir zurückgeblieben und hätten nie geheiligt in seine Gegenwart kommen können“.


Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde ursprünglich am 1.3.18  auf bookofmormoncentral.org unter dem Titel „How Abraham’s Sacrifice of Isaac Illuminates the Atonement” veröffentlicht. Übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.

 

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