Bei den schönen sommerlichen Temperaturen habe ich vor einigen Tagen im Garten ein kleines Planschbecken aufgebaut. Am späten Vormittag spielte unsere knapp zweijährige Tochter Lara darin, während ich ein paar Meter von ihr entfernt im Schatten saß. Ich hatte ihr ein paar Becher zum Spielen hingelegt; ein etwas größerer Wassereimer lag noch vor mir. Nach einer Weile begann Lara, mit einem Becher Wasser aus dem Planschbecken zu schöpfen, dieses zu mir zu bringen und in den Eimer zu gießen. Bis sie die paar Meter zurückgelegt hatte, hatte sie aber schon fast das ganze Wasser im Becher verschüttet, so dass sie, wenn überhaupt, immer nur ein paar Tröpfchen in den Eimer schütten konnte. Das störte Lara aber nicht und sie kam unzählige Male wieder mit dem fast leeren Becher bei mir an. Gelegentlich schaute sie zu mir auf und kommentierte, dass sie den Wassereimer füllt, und ich sagte ihr ein paar ermunternde Worte.

Einige Zeit später hatte Lara eine Idee: Sie nahm einen weiteren Becher in die andere Hand und versuchte nun, beide Becher zu befüllen. Dabei hielt sie aber immer das Gefäß in der nicht schöpfenden Hand so schräg, dass dort alles wieder herauslief. Sie machte auch hier zahllose Versuche und dank ihrer Beharrlichkeit gelang es ihr manchmal, in jedem Becher einen kleinen Schluck Wasser zum Eimer zu transportieren.

Ich saß dabei und mein Mutterherz brannte, weil ich ihre Bemühungen so goldig fand. Ich musste auch immer wieder herzlich lachen und mich freuen darüber, mit welcher Engelsgeduld mein Kind zugange war.

Warum der Herr oft nur zuschaut

Nun verrate ich Ihnen ein kleines Geheimnis: Ich hätte problemlos jederzeit den Eimer nehmen und ihn in ein paar Sekunden bis zum Rand mit Wasser füllen können. Wie leicht wäre mir das gefallen! Ich hätte vielleicht zehn Schritte dafür zurücklegen müssen, während Lara gefühlt tausende Schrittchen gegangen ist.

Aber: Es ging bei der ganzen Sache ja gar nicht um den vollen Wassereimer. Lara hatte Spaß, war beschäftigt, bewegte sich, erfrischte sich am spritzenden Wasser, lernte vielleicht sogar, mit ein bisschen mehr Kraft und Balance die Becher zu tragen. Das alles hätte ich ihr weggenommen, wenn ich ihr die Becher aus der Hand genommen und gesagt hätte: „Lass mich mal schnell den Eimer füllen. Du kannst das ja gar nicht gut!“

Ich musste an unseren Vater im Himmel denken: Er könnte jederzeit in unser Leben eingreifen, sagen, dass wir alles in unserem Leben nicht gut meistern, uns bildlich gesehen den Becher aus der Hand nehmen und sagen, dass wir gescheitert sind. Stattdessen stelle ich mir aber einen liebenden Vater vor, der seine Kinder dabei beobachtet, wie sie mit größter Anstrengung, und dennoch oft sehr wenig Erfolg, bemüht sind, ein Ziel zu erreichen. Vielleicht lächelt der Vater im Himmel manchmal darüber, wie uns das Wasser in dem einen Becher herausläuft, während wir höchste Konzentration auf einen anderen Bereich unseres Lebens setzen. Und vielleicht flüstert er uns in solchen Momenten ein paar ermunternde Worte zu, um zu sagen, dass er mit den Tröpfchen unserer beharrlichen Bemühungen einverstanden ist.

Rosemary M. Wixom sagte: „Wenn wir uns bemühen, unsere Bündnisse zu halten, verblasst unser Gefühl, wir seien unzulänglich und unvollkommen… Auf dem Weg zum ewigen Leben ist jeder willkommen.“ (Liahona, Mai 2014, S. 117)


Wie uns Herausforderungen und Widrigkeiten stark machen, könnt ihr euch auch in diesem Video anschauen.

Das Opfer von Abraham – ein Sinnbild für das Sühnopfer Christi

Bestimmen Zufälle über unser Leben?