Ein Boot, erschöpfte Missionare, ein Sturm: So beginnt eine der großartigsten, glaubensstärkenden Geschichten aller Zeiten. Die Berichte in Matthäus 14:22-33, Markus 6,45-52 und Johannes 6,15-21 unterscheiden sich leicht. Christus hatte sich nach der Speisung der 5000 auf einen Berg zurückgezogen, um in der Einsamkeit zu beten. Die Apostel besteigen ein Boot, um ans andere Ufer zu fahren. Der See wird durch einen heftigen Sturm aufgewühlt, und die Jünger mühen sich mit dem Rudern ab. Sicher hatten sie Angst, fühlten sich alleingelassen und erschöpft. Kennt ihr solche Gefühle?

Und dann sehen die Jünger auf dem Wasser etwas, das sie zuerst für ein Gespenst halten. „Doch Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!” (Matthäus 14:27) Dieses „Gespenst” stellt sich also als ihr bester Freund heraus: Christus, der über das Wasser auf sie zugeht. In Matthäus wird dann geschildert, wie Petrus reagiert: „Darauf erwiderte ihm Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme.” (Vers 28) Und Petrus steigt aus dem Boot und geht auf Jesus zu.

Findet ihr die Reaktion von Petrus nicht auch beeindruckend?

Während die anderen Jünger im Boot bleiben, nimmt Petrus seinen ganzen Mut zusammen und wagt diesen Schritt. Er wagt einen Schritt ins Ungewisse – und dann geschieht das eigentliche Wunder.

Leider übersehen wir oft das Wunder selbst und sprechen vor allem darüber, was danach geschah. Wir konzentrieren uns darauf, wie er auf dem Wasser geht, dann Angst bekommt und beginnt unterzugehen. Warum konzentrieren wir uns so sehr auf die Angst und das Untergehen des tapferen Petrus? Er ging über das Wasser! Zwar geht er unter, aber während seine Freunde in Sicherheit vom Schiff aus dabei zusehen, geht Petrus mit dem Erretter über das Wasser.

Aus dieser Begebenheit können wir mindestens drei Dinge lernen, mit denen wir selbst „über das Wasser gehen” können.

Glaube und Zweifel

Glaube und Zweifel gehören zusammen. Habt ihr euch jemals gefragt, ob ihr wirklich den Heiligen Geist spürt? Der Glaube motiviert euch, weiterzumachen. Er motiviert uns, in den Schriften zu lesen und zu beten, auch wenn uns gerade nicht danach ist. Er hilft uns dabei, da zu sein, um die PV-Klasse zu unterrichten und den Kindern zu erzählen, woran wir glauben.

Wir wagen den Schritt aus dem Boot, indem wir diese Dinge tun, und entscheiden uns so für Glauben statt Zweifel.

Manchmal machen sich diejenigen, die immer noch „im Boot” sind, vielleicht über unsere Entscheidungen lustig – wie es auch Petrus erfuhr. Der Trick ist, uns dann weiterhin auf den Erretter zu konzentrieren. Über das Wasser zu gehen bedeutet nicht, dass wir keine Zweifel haben. Es bedeutet, dass wenn wir wegen einer Glaubenskrise unterzugehen drohen, wir wieder an die Oberfläche gelangen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf den Erlöser richten – und wieder damit anfangen, ein paar weitere Schritte zu machen.

Denkt daran, dass es immer Raum gibt, besonders in der Kirche, für eure Fragen und Anliegen.

Aber bleibt nicht auf dem Grund des Sees stecken. Erhebt euch und konzentriert euch auf den Erretter. Von ihm bekommt ihr die Kraft, weiter zu kämpfen. Kommt sonntags und nehmt vom Abendmahl. Teilt eure Erkenntnisse mit anderen. Konzentriert euch auf den Erlöser und lasst euch von wogendem Zweifel nicht ablenken. Konzentriert euch in eurem Glauben auf den Erlöser – dadurch werdet ihr Fortschritt machen.

Fallen und wieder aufstehen

Das Zweite, was wir von Petrus lernen können, ist, dass wir umkehren können, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Erinnert ihr euch daran, dass die Apostel im Boot erschöpft waren und Angst hatten? Christus war dort. Er war die ganze Zeit dort. Er hatte die Jünger die ganze Zeit über gesehen, aber als sie ihn nicht mehr sehen konnten, bekamen sie Angst. Und dabei waren sie diejenigen, die so viel Zeit an der Seite des Erretters verbracht hatten und Zeugen seiner zahlreichen Wundertaten gewesen waren – und doch hatten sie, sobald er sich auch nur kurze Zeit von ihnen entfernte, ihre Zweifel. Selbst als sie Jesus auf sich zukommen sahen, erkannten sie ihn nicht sofort. Aber er war und ist immer da. Manchmal geht es auch uns so. Können wir aber wie Petrus sein, dann machen wir Fortschritt und erkennen die Hand des Herrn, die er uns immer entgegenstreckt. Hast du vielleicht mit einer Sucht zu kämpfen oder versuchst du, eine schlechte Gewohnheit abzulegen? Vielleicht hast du es auch schon ein ganzes Jahr durchgehalten und dann, am 366. Tag, wirst du schwach. Was dann? In gewisser Weise kennt Petrus dieses Gefühl. Du bist über das Wasser gegangen. Jede Therapiesitzung ist ein Schritt über das Wasser, das Treffen mit deinem Bischof, jede Entscheidung dafür, Situationen, die für dich eine Versuchung darstellen, zu meiden. Aber wenn du, wie Petrus, einen Fehltritt begehst, ist es schwierig, dich nicht auf dieses Gefühl des Untergehens zu konzentrieren und dich daran zu erinnern, wo du herkommst. Also beginnst du, unterzugehen.

Was kommt dann?

Weil der Wind so stark wehte und die Wellen hochschlugen, begann Petrus Angst zu haben. Er fing an unterzugehen und schrie: „Herr, rette mich!” (Matthäus 14:30)

Vielleicht geht es dir auch so, wenn du versucht bist, etwas zu tun oder dich schwach fühlst; du lässt die Angst übernehmen und hast das Gefühl, wieder zu einem früheren Verhaltensmuster zurückzukehren. Aber: „Jesus streckte sofort die Hand aus…” (Matthäus 14:31). Das tut er auch für dich.

Wenn du Angst hast zu scheitern, ergreife die Hand Gottes. Richte deinen Blick nach oben. Suche Hilfe. Mache weiter. Konzentriere dich nur auf den heutigen Tag und richte dich auf, um wieder – mit der Hilfe des Erretters – weiter vorwärts zu gehen.

Elternschaft und Gott

Das Dritte, was wir aus Petrus’ Erlebnis lernen können, ist, dass Christus weiß, wozu wir fähig sind und uns helfen wird, unser Potential auszuschöpfen. Das trifft besonders auf Elternschaft zu.

Gott möchte, dass wir wie er werden. Nicht um seiner selbst Willen, sondern weil er weiß, dass das der Pfad ist, der zu ewiger Freude und Glücklichsein führt. Vielleicht genügt es dir ja, „ganz okay“ zu sein – der himmlische Vater aber möchte, dass seine Kinder alles bekommen können, indem sie lernen, wie er zu werden. Unsere Familienbeziehungen können vielleicht die härteste Ausbildung unseres Lebens sein.

Kindererziehung ist wirklich ein Gang über das Wasser. Man lehrt seine Kinder, nimmt sie jede Woche mit in die Kirche, führt jede Woche einen Familienabend durch. Viele bleiben ihrem Zeugnis treu, aber manchmal verkündet dein Sohn, der von einer Mission zurückkam, trotzdem, dass er nichts mehr mit der Kirche zu tun haben möchte. Dein Schritt ins Ungewisse – der Gang auf dem Wasser – sieht in diesem Fall vielleicht so aus, dass du ihn liebst, auch wenn du die Entscheidungen nicht gutheißt oder sie dich verletzen. Vielleicht bedeutet es, dass du ihn zum Essen am Sonntag einlädst und dafür sorgst, dass er sich weiterhin geliebt fühlt. Und auch, wenn die Kinder vielleicht Entscheidungen treffen, die uns enttäuschen – vergessen wir nicht, das zu tun, was Petrus tat. Gib nicht auf. Suche Christus und verlasse dich auf seine Gnade, darauf, dass er dir die nötige Nächstenliebe geben wird, um auch eine schwierige Beziehung aufrechtzuerhalten. Sein Weg ist der Weg.

Ein Vater oder eine Mutter zu werden, die Gott ähnlich ist, bedeutet, viele Einladungen auszusprechen, zu lehren, zu lieben und zu vergeben – so wie Christus lehrte, einlud, liebte und die Hand ausstreckte. Manchmal schmerzt Elternschaft, weil unsere Kinder leiden. Kinder, die mit Lernschwächen, Mobbing, Depression oder Süchten kämpfen, wühlen das Wasser auf. Elternschaft heißt, über das Wasser gehen.

Wenn ich versuche, meine Kinder zu kontrollieren, erinnere ich mich daran, dass sie als Kinder Gottes auch meine Geschwister sind. Ich wurde als ihre Mutter berufen, aber sie sind auch die Kinder meines Vaters. Präsident Monson sagte einmal: „Nehmen Sie ein Problem, das zu lösen ist, nie wichtiger als einen Menschen, der zu lieben ist.”

Als Petrus und Christus zum Boot zurückkehren, hört der Sturm auf. Die Jünger erinnern sich an das, was sie schon immer gewusst haben: Er ist der Sohn Gottes (Matthäus 14:32-33). Ich frage mich, ob die Apostel, die lieber in Sicherheit im Boot blieben, dies bereuten. Petrus machte Fortschritt und sie sahen zu. Er ging mit dem Erretter über das Wasser. Es war angsteinflößend. Er ging unter. Aber er machte eine persönliche Erfahrung mit Jesus und lernte etwas über sich selbst und über Christus, was nur durch Erfahrung möglich war.

Wenn du also am Untergehen bist, strecke deinen Arm nach Christus aus. Er ist da. Er ist direkt neben dir, geht mit dir durch deine Glaubenskrise, deine Suchtprobleme, deine Schwächen und deine Familienbeziehungen. Selbst wenn du wegen der Stürme des Lebens erschöpft bist und dir Sorgen machst, dass du nicht genug Kraft hast, denke daran, dass du bereits über das Wasser gehst. Jeden Tag. Du musst einfach nur wieder aufstehen und es wieder tun – mit der Hilfe Christi.


Ganel-Lyn Condie

Ganel-Lyn Condie erinnert uns durch ihre Beispiele aus den Schriften und durch ihre bewegenden eigenen Erfahrungen, dass der Erretter Anteil an unserem Leben nimmt und einen Platz in unserem Leben haben möchte. Gehen wir unseren täglichen Weg mit Christus, finden wir Heilung und Hoffnung. Seine Gnade kann uns dabei helfen, mit den überwältigenden und schwierigen Momenten des Lebens zurechtzukommen. Wenn uns die Hoffnung fehlt, erinnern wir uns daran, dass wir wie Petrus über das Wasser gehen können und es bereits tun.

Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und nuanciert geändert. Er wurde ursprünglich am 8.2.18  auf ldsliving.com unter dem Titel „3 Ways You Are Already Walking on Water” veröffentlicht. Die Autorin ist Ganel-Lyn Condie. Übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.    

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