Das Alte Testament ist voll von Geschichten, die schwer zu verstehen sind und Gott ohne Kontext wie einen sehr strengen Gott aussehen lassen. Eine Geschichte, die mich das am meisten glauben lässt, ist die von Hagar und Ismael.

Hagar ist Abrahams Nebenfrau und Ismael ist ihr Sohn. Sie leben mit Abraham zusammen und scheinen eine fröhliche Zeit in Be’er Scheva zu haben, als der Ärger anfängt (Genesis 21). Sara erwischt Ismael dabei, wie er etwas tut, was ihr missfällt (es ist schwer zu sagen, was genau ihr missfällt, da der Satz doppeldeutig und das benutzte hebräische Wort selten ist) und sagt Abraham, dass er die beiden aus dem Haus werfen solle.

In Be’er Scheva gleicht so ein Rauswurf dem Todesurteil. Es ist dort so trocken, dass es kaum eine Chance gibt, alleine zu überleben. Man könnte meinen, dass Abraham Sara einfach sagen würde, sie solle darüber hinwegsehen. Anfangs scheint es so, als würde er genau das in Betracht ziehen, doch dann erscheint Gott und sagt Abraham, dass er die beiden rauswerfen solle und auch, dass Ismael überleben und Kinder haben würde.

Es ist schrecklich sich vorzustellen, dass Gott eine Familie so trennt. Doch das ist nicht die einzige fragwürdige Sache, die Gott in Abrahams Geschichte tut. Laut Abraham 2:22-24 sagt Gott Abraham, er solle die Ägypter anlügen und ihnen sagen, dass Sarai seine Schwester und nicht seine Frau sei. (Meine brillante Frau hat mir mitgeteilt, dass es auf Ägyptisch ein Wort gibt, das sowohl Frau als auch Schwester bedeutet und es somit per se keine Lüge ist. Ich persönlich sehe es dennoch als Lüge an, da Abraham die Ägypter glauben machen wollte, seine Frau sei ledig.)

Abraham und Isaak

Natürlich ist das grausamste Unrecht, das Gott in der Geschichte Abrahams zu begehen scheint, das Gebot an Abraham, Isaak für ihn zu opfern. Dieses Gebot wurde in letzter Minute aufgehoben, aber das lässt Gott fast noch launischer aussehen. Also, was ist hier wirklich los?

Ich denke, man kann Abrahams Geschichte als eine Geschichte von Verlust und Wiedergutmachung sehen. Im Laufe von Abrahams Leben bittet Gott ihn, jeden, der ihm nahe steht, zu opfern. Jedoch sorgt Gott auch dafür, dass er die meisten von ihnen wieder sieht.

Am Anfang seines Lebens hat Abraham ein paar familiäre Probleme (sein Vater versucht ihn zu töten). Also sagt Gott zu Abraham, er solle aus Ur herauskommen und nach Kanaan gehen (über Haran). Er weiß, dass dies bedeutet, dass er seine Familie zurücklassen muss, sogar die, die er liebt. Er tut es dennoch, weil Gott ihn darum bittet.

Kurz darauf geht Abraham nach Ägypten, wo Gott ihn bittet, die Beziehung zu seiner Frau vorübergehend zu opfern. Dieses Opfer ist eindeutig kurzfristig angelegt, aber für eine Weile bittet Gott ihn, Sarai als seine Frau aufzugeben. Das tut er. Dieses vorübergehende Opfer seiner Frau scheint überwiegend eine symbolische Geste zu sein, um die Gott ihn bittet.

Dann heiratet Abraham Hagar, aber wie oben erwähnt, bittet Gott Abraham, Hagar und Ismael aufzugeben. Abraham tut das. Dieses Opfer von Ismael und Hagar macht das Opfer von Isaak noch bewegender, weil Gott Abraham im nächsten Kapitel sagt, er solle seinen einzigen Sohn opfern. Dies zeigt eine einfache Botschaft, nämlich dass Abraham niemanden mehr hat. Im vorherigen Kapitel „opferte” er Ismael und nun Isaak. Gerade als er dabei ist es zu tun, wird er von Gott, in letzter Minute, gestoppt.

Was aus Ismael wurde

Jetzt fragst du dich vielleicht: „Was ist mit Ismael passiert?” Nach Genesis 21 verschwindet er quasi vom Erdboden. Wie bekommt Abraham ihn zurück? Die Antwort darauf liegt vermutlich in einem viel jüngeren Text, dem Koran. Nach einigen muslimischen Traditionen ziehen Hagar und Ismael in den Süden nach Mekka. Abraham wird schließlich gesagt, dass sie dort leben. Also fängt Abraham an, sie regelmäßig zu besuchen, und baut mit Ismael sogar so etwas wie einen Tempel, die Kaaba. Vielleicht ist das nur Wunschdenken der Muslime, die versuchen, eine schwierige Geschichte zu verstehen, aber ich denke, es könnte sich tatsächlich so abgespielt haben.

Schließlich kommt es für Abraham zu einer Wiedergutmachung mit seiner Familie in Ur. Dies widerfährt Abraham indirekt durch seinen Sohn Isaak. In Genesis 24 heiratet Isaak Rebekka, die Enkelin von Abrahams Bruder.

Anfangs mag das merkwürdig anmuten, denn wir wissen, dass Abrahams Familie nicht die aufrichtigsten Menschen waren, aber es scheint, dass es nach einigen Generationen besser geworden ist, so dass von Rebekka gesagt wurde, dass kein Mann „eine Frau wie sie kannte“. Ihre Heirat mit Isaak kann als eine Wiedervereinigung von Abrahams unmittelbarer Familie mit der Familie seines Bruders angesehen werden, der Familie, die er so viele Jahre zuvor verlassen musste.

Damit schließt sich der Kreis von Abrahams Leben.

Gott belohnt unsere Opfer

Er wird von Gott gebeten, seinen Bruder, seine Frauen und seine Söhne aufzugeben, aber langsam, im Laufe seines Lebens, bekommt er sie alle wieder zurück. Gott hat von Abraham sicherlich verlangt viel zu opfern, aber als Gott sah, dass Abraham ihm ganz und gar gehorsam war, sorgte er dafür, dass Abraham alles zurückbekam und noch mehr. Ich kann nicht anders als mich zu fragen, ob es so für uns sein wird. Manchmal müssen wir Phasen großer Verluste durchmachen, aber ich denke, dass Gott im Bereich der Wiedergutmachung tätig ist. Egal wie viel wir verlieren, wenn wir es in seinem Namen verlieren, wird Gott dafür sorgen, dass unsere Verluste ausgeglichen werden – in diesem oder im nächsten Leben.


Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde ursprünglich auf biblejonsmusings.blogspot.com unter dem Titel „Abraham’s Sacrifice of Ishmael” veröffentlicht. Übersetzt von Janine Windhausen.

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