Vor Kurzem erlebte ich etwas, das mich demütig stimmte. Ein bisschen fühlte es sich wie eine Ohrfeige an, aber eine, die ich nötig hatte. Ich erkannte, dass es Gott egal ist, wie klug ich bin. Diese Erkenntnis kam mir während eines Familienabends, den ich mit meiner Frau besuchte. Aber fangen wir von vorne an.

Ihr solltet wissen, dass ich mein Geld mit Schreiben verdiene. Und es ist ein großer Segen für mich, dass ich über das Evangelium schreiben kann. Ein Traum, nicht wahr? Ich kann mich den ganzen Tag mit Kirchenlehre befassen und über die Worte der Propheten nachsinnen.

Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass ich regelmäßig Material von Kirchengegnern ausgesetzt bin. Manche Fragen sind aufrichtig und werden respektvoll gestellt, andere sind nichts anderes als böswillig. Aber weil manche dieser Fragen ein Problem für manche Mitglieder darstellen, habe ich mich notgedrungen damit beschäftigt. Dabei habe ich mehr über die Schriften und über Kirchengeschichte gelernt, als ich es je hätte, wenn es nicht mein Job wäre.

Gott ist es egal, wie klug wir sind

antisozial

Eigentlich freute ich mich nicht sonderlich auf den Familienabend. Ich kannte die anderen Familien nicht und, ganz offen gesagt, waren sie mir auch egal; nicht weil ich persönlich etwas gegen sie hatte, sondern einfach deshalb, weil ich kein besonders geselliger Typ bin. Aber meine Frau überredete mich mitzukommen. Und – wie zynisch – ich dachte, dass der Abend reine Zeitverschwendung sein würde. Ich war überzeugt, dass ich nichts von ihm haben würde.

Auch in anderen Bereichen meines Lebens hatte sich eine ähnliche Einstellung eingeschlichen. Sonntags zur Kirche zu gehen fühlte sich eher wie eine Pflicht und nicht wie ein Privileg an. Was könnte dieser Sonntagsschullehrer MIR denn schon beibringen? Hatte ich wirklich Zeit für so etwas? Okay, die hatte ich natürlich – aber ich würde mich trotzdem die ganze Zeit über darüber beschweren.

All diese Gedanken und Gefühle gingen mir durch den Kopf, als der Familienabend begann. Nach einigen Minuten pessimistischen Schweigens kam mir plötzlich folgender Satz in den Sinn:

„Solange du das Evangelium nicht lebst, ist es völlig bedeutungslos, was du alles über das Evangelium weißt.”

Man kann zwar wissen, was Jesus bei der Bergpredigt in Matthäus 5 lehrt, aber es ist etwas völlig anderes, tatsächlich mit einem Trauernden zu trauern, nach Gerechtigkeit zu hungern und zu dürsten oder sich mit seinem Bruder zu versöhnen. Und auch wenn man nicht viel Wissen hat – was macht das schon aus, solange man sanftmütig, gnädig, reinen Herzens und ein Friedensstifter ist?

Jesus Christus

Und das ist die Wahrheit. Nirgendwo in den heiligen Schriften heißt es: „Und der Herr sprach, wenn ihr diesen 10.000-Fragen-Test nicht besteht, seid ihr nicht klug genug und könnt nicht in das Himmelreich kommen.”

Ironischerweise heißt es in den Schriften aber: „O welch schlauer Plan des Bösen! O die Eitelkeit und die Schwächen und die Narrheit der Menschen! Sind sie gelehrt, so denken sie, sie seien weise, und sie hören nicht auf den Rat Gottes, denn sie schieben ihn beiseite und meinen, sie wüßten aus sich selbst; deshalb ist ihre Weisheit Narrheit, und sie nützt ihnen nicht. Und sie werden zugrunde gehen.” (2 Nephi 9:28)

Versteht mich aber nicht falsch. Natürlich ist es nicht schlecht, sich Wissen anzueignen und dazuzulernen. In Lehre und Bündnisse finden wir auch eine Schriftstelle, die uns dazu auffordert: „Trachtet nach Wissen, ja, durch Studium und auch durch Glauben” (88:11) und dass „es gut [ist], gelehrt zu sein, wenn man auf Gottes Ratschläge hört.” (2 Nephi 9:29) Der Heilige Geist ist ein Lehrer, aber Wissen (und auch geistiges Wissen) ist ein Werkzeug und nicht das Ziel. Unser Weg wird davon bestimmt, wie wir dieses Wissen anwenden. Das ist es, worauf es Gott ankommt. Selbst Satan verfügt über das Wissen, wer Christus ist. Aber wie er mit diesem Wissen umgeht, macht ihn zum großen Täuscher. Und ich war auf einem ähnlichen Weg. Ich war herablassend, abgehoben und arrogant.

Der Weg, den ich hätte wählen sollen – und um den ich mich inzwischen bemühe – ist viel intensiver:

Der Weg des Entwickelns

Im Evangelium geht es darum, uns zu entwickeln, nicht darum, Wissen anzuhäufen. Wissen ist gewissermaßen nutzlos, wenn wir es nicht anwenden, um uns weiterzuentwickeln.

„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.” (Matth. 7:21)

„Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.” (Matth. 7:24)

Vertraue auf Jesus

Der Zweck des Evangeliums Christi besteht darin, uns ihm ähnlicher werden zu lassen. Wir sollen jemand sein, der nicht die Bedürfnisse der Menschen um sich herum ignoriert. Jemand, der auch dann noch, wenn er verfolgt wird, die andere Wange hinhält. Jemand, der gütig ist.

Bei einer Generalkonferenz im Jahre 1982 sagte Mark E. Peterson: „Eine vollständige Errettung bedeutet, dass wir in Worten und Taten wie der Erretter werden. Wir können unseren Fortschritt auf dem Weg zur Errettung allein daran messen, wie ähnlich wir Christus sind. Wenn wir in unserem täglichen Leben nicht mehr wie er werden, machen wir in Bezug auf unsere Errettung nicht den Fortschritt, den wir machen sollten.”

Klug zu sein ist keine Voraussetzung für Errettung. Mehr wie unser Erlöser Jesus Christus zu werden hingegen schon. Darauf sollten wir uns zu jeder Zeit und wo auch immer wir uns befinden, konzentrieren, sogar während eines Familienabends.

Wir werden unterrichtet und schreiben Prüfungen

In unserem Leben gibt es Phasen, in denen wir unterwiesen werden. Das habt ihr auch schon erlebt. Vielleicht geschah es, während ihr ein Kirchenlied gesungen oder die Schriften studiert habt. Der Heilige Geist war bei euch und ihr hattet bestimmte Eindrücke und Inspiration. Dies sind Momente, in denen wir belehrt werden.

Und dann gibt es Momente, in denen wir geprüft werden. Vielleicht geht es dann nicht darum, was ihr persönlich aus einer Sonntagsschulklasse zieht. Vielleicht ist es eher ein Test als eine Unterweisung. Und die bessere Frage wäre: „Wie kann ich jetzt gerade mehr wie Christus sein?”

Das Licht Christi

Plötzlich ist nicht mehr der Lehrer verantwortlich, sondern wir selbst übernehmen die Verantwortung dafür, wie unser Sonntag aussieht. In geistigen Prüfungen wird nicht unser Wissen, sondern vielmehr unser Charakter geprüft. Es ist also eine Prüfung, die weit über das hinausgeht, was wir während des Unterrichts gehört haben. Beispielsweise:

Mit welcher Einstellung haben wir die Sonntagsschule besucht?

Wie steht ihr zu dem Kerl, der sich alle 10 Sekunden meldet und auch seinen Senf dazu geben möchte?

Ganz hinten weint jemand alleine in einer Ecke. Was tust du?

Geistige Unterweisung und geistige Prüfungen geschehen ständig (manchmal simultan). Vielleicht findet eine solche Prüfung statt während du auf dem Weg zur Arbeit bist, wenn deine Kinder am Abend nicht ins Bett gehen möchten und … genau … beim Familienabend.

Es ist egal, wie klug du bist …

Wie ich den Familienabend erlebe, hat sich seither drastisch verändert. Ich versuche, freundlich zu sein, ich versuche, andere kennenzulernen, ich strenge mich an, mehr Liebe für andere zu haben. Ich habe aufgehört, nur an mich zu denken.

Petrus war Fischer, Joseph Smith Bauer, Jesus Christus Zimmermann. Gott ist es egal, wie klug wir sind. Es kommt aber darauf an, dass wir versuchen, nach dem zu streben, was uns Christus in 3 Nephi 27 sagt: „Was für Männer sollt ihr sein? Wahrlich, ich sage euch: So, wie ich bin.”

Und wer weiß, vielleicht lernt ihr zusätzlich ja auch noch etwas.


David Snell

David Snell ist stolz darauf, Mitglied der Kirche Jesu Christi zu sein. Er hat einen Abschluss von der BYU, ist Gründer von „The Sunday Pews” und hat unter anderem Erfahrungen als Autor für Mormon Newsroom Pacific, KBYU11, Classical 89 Radio und FamilyShare.com gesammelt. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst und möchte den Tag für uns ein bisschen schöner machen.

Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde ursprünglich am 8.8.18 auf thirdhour.org unter dem Titel „God Doesn’t Care How Smart You Are” veröffentlicht. Der Autor ist David Snell. Übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.

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